Perfect Lens
Welcher ambitionierte Fotograf kennt sie nicht, die ewige Suche nach dem besten aller Objektive? Ganz ehrlich, hast Du nicht auch schon Fotos in der 1:1 Ansicht angeschaut, in alle Ecken gescrollt und nach Farbsäumen als Resultat der chromatischen Aberration gesucht? Mir geht es nicht anders und so hat sich im Laufe der Jahre ein kleiner Zoo von Objektiven unterschiedlichster Brennweite und Bauform angesammelt. Ein Ergebnis der stetigen Suche nach der besten Abbildungsqualität.
Irgendwann will man mit diesen Objektiven aber auch fotografieren, beispielsweise auf einem langen Trip durch die USA. Der Weg dorthin ist weit und das Gepäck stark reglementiert. Welche Objektive nimmt man also mit? Einfach das 18-200mm Superzoom einpacken und fertig? Oder soll man sich doch mit einem Zoo aus Objektiven wie diesem hier abschleppen: 12-16, 17-55, 70-200,200-400, 1.4/50, 2.8/60?
Im Rahmen der Vorbereitungen zur USA-Reise 2009 habe ich lange hin und her überlegt was in den Fotorucksack hinein muss, was kann und was daheim bleiben muss. Ich habe mir ein ISO12233 Testchart besorgt (gibt es beispielsweise hier) und es mit der D2x und einer Reihe von Objektiven aus meinem „Fuhrpark“ abfotografiert. Warum die D2x? Ganz einfach, die D2x zeigt gegenüber der D300 etwas mehr Details, zumindest bei ISO-100. Jenseits der ISO-400 ist die D300 klar im Vorteil. Aber da ich eh meist mit Stativ, Spiegelvorauslösung und Kabelauslöser arbeite, kann ich in der Regel mit ISO-100 fotografieren und dann zeigt die D2x was sie kann.
Und noch ein Aspekt, die D300 korrigiert bei Objektiven welche die Kamera „kennt“ essentielle Abbildungsfehler automatisch. Die D2x kann das noch nicht! Eigentlich eher ein Mangel, aber bei der Suche nach dem besten aller Objektive dann doch ganz hilfreich.
Warum kein Vollformat?
Viele meiner Objektive würden auch an einer „Vollformat“ DSLR (FX-Format) funktionieren. Schaut man sich Artikel beispielsweise von Ken Rockwell an, in denen er die Auflösung der D3 mit der D300 vergleicht, stellt man fest, dass man mit dem richtigen Objektiv an der D300 die gleiche Abbildungsleistung erzielen kann. Aufgrund des kleineren Chips der D300, D2x usw. sind speziell angepasste Objektive (DX-Format) kleiner und leichter. Auch haben sie kürzere Brennweiten bei gleichem Abbildungsmaßstab. Das bedeutet mehr Tiefenschärfe, die man manchmal sicher nicht haben will, aber die bei der Landschaftsfotografie oft ganz hilfreich ist. Außerdem mag ich Teleobjektive und die sind im DX-Format definitiv kleiner als im FX-Format. Benutzt man gute FX-Objektive an einer DX-Kamera (wie der D300) so ergibt sich ein für mich wirklich praktischer Verlängerungsfaktor.
Eines meiner liebsten Objektive ist das Nikon AF-S VR 2.8/70-200mm. An der D300 entspricht es einem 105-300mm Objektiv und das mit Lichtstärke 2.8 und Bildstabilisator zum Preis von etwa 1800 Euro!
Was ist ein ISO12233 Testchart?
In der Wikipedia findet man diese Definition:
The ISO 12233 target was developed for digital camera applications, since modern digital camera spatial resolution may exceed the limitations of the older targets. It includes several knife-edge targets for the purpose of computing MTF by Fourier Transform. They are offset from the vertical by 5 degrees so that the edges will be sampled in many different phases, which allow estimation of the spatial frequency response beyond the Nyquist frequency of the sampling.
Und so sieht ein ISO 12233 Testchart aus:
Um wirklich aussagekräftige Ergebnisse erzielen zu können, sollte das Testchart so groß wie möglich sein. Ein Print aus dem Laserdrucker im Format DIN A4 ist da gänzlich ungeeignet. Ab 60 x 90 cm wird es interessant und realistisch, da stimmt dann auch das Verhältnis von Größe des Charts und der Auflösung des Druckers. Nun kann man beispielsweise mit einem Portrait-Objektiv aus einer Entfernung von vielleicht 2-3 Metern das Testchart fotografieren, was einer realistischen Aufnahmesituation mit einem Model entspricht. Soll es noch größer sein, beispielsweise für den Test eines Weitwinkel-Objektives, so kann man auch zwei der mehr identische Testcharts nebeneinander aufhängen.
Der Versuchsaufbau:
Das Testchart habe ich mit Tesafilm straff auf eine billige beschichtete MDF-Platte aus dem Baumarkt montiert und alles zusammen an eine Wand montiert. Die D2x habe ich dann auf ein Stativ gestellt und versucht für eine möglichst gleichmäßige Ausleuchtung zu sorgen. Danach ging es auch schon los.
Die Testreihe:
Der Reihe nach habe ich dann alle mir interessant erscheinenden Objektive an die D2x montiert und mit der Zeitautomatik in der besten Qualitätsstufe die einzelnen Blenden und Brennweiten „durchfotografiert“. Irgendwann war ich total durcheinander und wußte nicht mehr, welches Bild mit welchem Objektiv bei welcher Blende gemacht war. Also habe ich noch einmal neu angefangen und mir notiert welches Bild (Bildnummer laut Display) mit welchem Objektiv bei welcher Blende/Brennweite aufgenommen wurde. Sehr hilfreich ist dabei ein Kabelauslöser, ich habe zusätzlich noch die Spiegelvorauslösung verwendet. Speziell bei den ganz kleinen Blendenwerten kommt ja nur noch wenig Licht auf den Chip, so dass die Kamera relativ lang belichten muss. Im Bereich von 1/15 Sekunde und länger kann hier der Schlag des Spiegels so starke Vibrationen verursachen, dass das Versuchsergebnis stark verfälscht wird.
Später habe ich mir das Ergebnis in aller Ruhe an meinem Computer in der 1:1 Ansicht mit Nikon Capture angeschaut. Die Ergebnisse haben mich erstaunt und ich habe damals beschlossen nicht die kleinen preiswerten Nikon Objektive 18-55 und 55-200 bzw. das 18-200 einzupacken, sondern trotz aller Pein drei Zooms und einige Festbrennweiten mitzunehmen.
Diese war meine 2009er Auswahl:
- Tokina AT-X Pro 4/12-24
- Nikon AF-S 2.8/17-55
- Nikon AF-S VR 2.8/70-200
- Nikon AF-D 2.8/20
- Nikon AF-D 2.8/24
- Nikon AF-D 1.8/50
- Nikon AF-D 2.8/60
- Nikon AF-D 1.4/85
- Nikon AF-S 2.8/28-70 (Für F100 und F5)
Am Ende der Reise habe ich dann festgestellt, dass ich das 24er und das 50er praktisch nicht und das 1.4/85mm gar nicht benutzt habe. Das 60er Macro auch nur sehr sporadisch. An der F100 und der F5 habe ich viele Fotos mit dem Tokina AT-X 12-24 gemacht, obwohl es eigentlich KEIN FX Objektiv ist. Aber es hat sich gezeigt, dass es zwischen 20 und 24mm Brennweite sehr gut an der F100 oder der F5 funktioniert. Daher hat es das 20er und das 24er voll ersetzt. Das 2.8/28-70 ist ein Monster und ich würde es nicht wieder mitschleppen. Letztlich hätten die oben fett markierten Objektive es also auch getan.
Im Jahr 2010 habe ich dann statt des schweren AF-D 2.8/60mm das kleine leichte AiS 2.8/55mm eingepackt. Dieses Objektiv hat mir wirklich Spaß gemacht und an der D2x erstaunliche Ergebnisse geliefert. Ok, es hat keinen Autofokus und keine CPU, aber braucht man das wenn man seine Bilder in aller Ruhe am Stativ gestaltet und ohnehin meist eine 3er Belichtungsreihe aufnimmt?
Im Jahr 2011 war dann statt der F100 und der F5 „nur“ noch die kleine leichte F80 im Gepäck. Und hier diesmal das Nikon AF-S 3.5-4.5/24-85 Zoomobjektiv. Wirklich „ernsthaft“ habe ich die F80 aber nicht eingesetzt, anders als erhofft! Statt dessen gab es einfach eine Reihe eher dokumentarischer „Knipsbilder“ für den netten Diaabend bei einem Glas Rotwein.
Resümee:
Seit ich mir die Mühe gemacht habe meine Objektive mit einem ISO 12233 Testchart „durchzuknipsen“ gibt es beim Packen des Fotorucksacks weniger Unsicherheit. Ich weiß nun was die Objektive leisten und was nicht. Wichtig war aber auch die Erfahrung, dass Zooms trotz Größe und Gewicht wirklich praktisch sind und in Sachen Bildqualität bei geeigneter Blendenwahl fast an die Qualität kleiner leichter Festbrennweiten heranreichen. Auch wenn es eigentlich uncool ist, ich fotografiere nun gern und ohne schlechtes Gewissen mit meinen variablen „Gummilinsen“.
Gelernt habe ich allerdings auch, dass ein Zoom-Objektiv nur dann wirklicht gut ist, wenn der Zoombereich möglichst klein ist. Klar ist eine 18-270mm Tamron für 500 Euro eine verlockende Sache, aber wenn man schon viele tauschend Euro für eine weite Reise ausgibt, dann würde ich zumindest das „Superzoom“ maximal als „leichten Kompromiss“ für lange Wanderungen einpacken.
Darüber hinaus habe ich gelernt, dass praktisch alle Objektive bei Blende 8 die beste Abbildungsqualität liefern. Lediglich lichtschwache Zoomobjektive sind teils bei Blende 11 noch ein wenig besser. Seitdem verwende ich in der Regel die Zeitautomatik bei fest eingestellter Blende 8.
Shoot Film?
Ich mag meine analogen Dias, sie brauchen kein Backup und ich kann sie auch in 30 Jahren noch anschauen – wenn ich dann noch lebe… Allerdings hat mir das Labor im Jahr 2009 fast alle 900 Dias verschrammt, so dass mir die Dias auch mit einer Flasche Rotwein keinen Spaß machen. 2011 habe ich dann nur noch 7 Filme belichtet und sie für knapp 8 Euro pro Stück im Fachlabor entwickeln lassen. Diesmal sitzen fast alle Dias schief in ihren Rähmchen, so dass links immer ein heller Streifen ist. Ich denke inzwischen, dass der Niedergang der traditionellen Fotografie nicht durch die extrem guten digitalen Kameras, sondern die schlampigen Arbeiten der wenigen verbliebenen Labors beschleunigt werden wird.
Wo finde ich Beispiele:
Im Web findet man verschiedene Testreihen mit teilweise völlig unterschiedlichen Objektiven wie beispielsweise hier. Oder diese hier. Ken Rockwell hat hier auch etwas zusammen gestellt.
Schlusswort:
Testcharts und Zeitungen zu knipsen ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit! Diese Tests decken eher technische Fehler wie eine ungenaue Zentrierung eines Objektives auf. Wichtig sind auch Verzeichnung, Kontrast, Verhalten bei Gegenlicht, Staubschutz, Randabschattungen und der Filterdurchmesser. Ich empfinde es als überaus praktisch, wenn alle Objektive ein 77er Filtergewinde haben. Da muss man nur einen Polfilter einpacken!
Ok, dann will ich mal hoffen, dass ich Euch ein paar Tipps geben und für ein entspannteres Verhältnis zu Euren Objektiven sorgen konnte :-)
Hier noch einige Beispiele für Fotos die ich mit einem wirklich perfekten Objektiv aufgenommen habe. Einfach anklicken und in Originalgröße anschauen.
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