Alles über die Nikon-Fotografie

Timezone Victim

Es ist noch mitten in der Nacht als ich mich auf den Weg zur Ranger-Bude in der Nähe der House-Rock-Valley-Road mache. Als ich die Türe meines Zimmers öffne schlägt mir ein Wand aus eisiger Luft ins Gesicht. Nun weiß ich auch, warum ich heute Nacht wieder so schrecklich gefroren habe. Bis alles im Auto ist, dauert es ein wenig, aber dann geht es los. Kurz nach dem Start meldet das Auto Glatteisgefahr bei  -1°C! Auf dem Weg zur Permit-Lotterie fällt das Thermometer dann auch -8°C – es ist Winter in Utah – ganz eindeutig! In den letzten Tagen hatte ich da die fixe Idee mal nach an der Wave ein Foto mit Vollmond zu versuchen. Davon sollte ich Abstand nehmen wenn ich nicht allein da draußen erfrieren will.

Als ich beim Ranger-Büro eintreffe, ist noch alles zu und es geht gerade erst die Sonne auf. Nach einer kurzen Wartepause habe ich dann die Idee doch schnell mal beim Toadstool Hoodoo vorbei zu schauen. Der ist doch gleich um die Ecke, also los. Am Trailhead greife ich mir schnell ein paar Kameras und das kleine leichte Stativ. Fast im Laufschritt geht es los zum Hoodoo. Als ich dort ankomme ist es schon fast zu spät. Das Ding sieht genau dann wenn sie Sonne das erste Mal über den Horizont schaut wirklich gut aus. Ich hätte 30 Minuten eher hier sein müssen. Aber egal, ich schieße ein Foto nach dem Anderen und klettere fleissig um das Ding herum. Zwischendurch füllt mir auf, dass die kleine Nikon P7000 erste Ausfallerscheinungen zeigt. Die kleinen Kunststoffscheiben die das Objektiv schützen sollen klemmen immer wieder. Wahrscheinlich ist Sand dazwischen. Das ist der Grund, warum ich noch weitere Kameras dabei habe! So sieht das dann aus…

Später kommen weitere Fotofreaks dazu. Wir quatschen und plötzlich kommt mir den Gedanke, dass ich die Lotterie verpassen könnte. So viel zu früh war ich ja nun auch wieder nicht. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, ja was verrät er mir – er verrät mir, dass die Uhr stehen geblieben ist. Was ist denn das? Ok, wahrscheinlich ist die Batterie leer, diese Uhr war schon 2009 und 2010 hier. Ok ich sollte zurück flitzen, und das hurtig! Also alles schnell einpacken und im Laufschritt zum Auto.

Der große V8 heult auf und los geht es zum BLM-Büro. Dort angekommen ist die Schranke auf und es kommen mir ein paar Autos entgegen. Hey was ist denn das, normalerweise fahren die da alle hin, nicht weg! Kein gutes Zeichen, irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht. Direkt vor der Türe ist gerade ein Parkplatz frei geworden. Ich stelle den großen Chevy dort ab und will hineinstürmen als ich einen Zettel sehe der von innen mit Tesafilm an die Scheibe geklebt ist. „The Lottery is over“ – ich bin zu spät!

Mist, die Uhr um Auto zeigt 8:07 – aber hier ist es schon 9:07! Am 13. März wurden die Uhren umgestellt, davon haben wir natürlich nichts mitbekommen. Da Arizona das nicht mitmacht, hat Arizona die gleiche Zeit wie Nevada, also wie Las Vegas. Etwas weiter im Norden liegt Utah, die sind jetzt immer eine Stunde weiter als die Menschen im sonnigen Süden. Es ist fast wie mir der Schweiz und Italien…

Ich muss es also morgen noch einmal versuchen! Egal, ich habe ja noch ein paar Tage Zeit. Also rein ins Auto und ab nach Page, ich freue mich auf eine Frühstück bei Denny’s. Dort gibt es neuerdings ein offenes schnelles WLAN, sehr praktisch! Ich krame mein Handy heraus und lese meine Mails während der Koch mir meine Rühreier zubereitet, was für ein Service.

Nach dem Frühstück geht es zu Waschanlage, ich mache die versaute Kiste erst einmal wieder stubenrein. Alles ist so schmuddelig, ich weiß gar nicht mehr wo ich noch anfassen soll. Der Automat will meine Kreditkarte nicht, also versuche ich es mit Bargeld. Coins habe ich keine, die verschenke ich immer gleich weiter weil sie mir zu schwer sind. Aber ein 5$ Schein ist noch da. Also rein damit und schon kann ich fast 15 Minuten lang dieses echt große Auto säubern, nicht schlecht!

Also die Kiste wieder wie neu aussieht geht es ab zum Walmart, ist ja nur ein paar Meter die Straße hinunter. Im Walmart sticht mir eine Uhr ins Auge, eine TIMEX – ich glaube die erste Uhr in meinem Leben war eine Timex. Sie hatte ein mechanisches Werk und man musste sie aufziehen. Timex war der erste Hersteller der Armbanduhren gefertigt hat. Bereits im Vietnamkrieg trugen Menschen eine Timex die sie schon von ihrem Großvater geerbt hatten. Einer von ihnen geriet in Gefangenschaft und musste monatelang in einem Schlammloch ausharren. Damit sie ihm seine Timex nicht wegnehmen versteckte er sie, über Monate hinweg – in seinem ARSCH. Als er schließlich doch starb, nach sein bester Freund diese Uhr an sich. Es Colonel Ralph W. Kingston III, auch er versteckte diese Timex vor den Vietkong, auch er hatte nur ein Versteck an dem sich sicher war, in seinem ARSCH. Als er Jahre später von einem Elitekämpfer italienischer Abstammung namens John Ramboo befreit wurde nahm er die Timex mit. 23 Monate und vier Tage nach seiner Befreiung hatte Colonel Ralph W. Kingston III endlich den Sohn seines Freundes gefunden und überreichte ihm die Uhr die schon sein Großvater und wohl auch der Vater seines Großvaters getragen hatte, eine TIMEX.

Während ich im Walmart vor einer TIMEX für 45$ stehe, geht mir diese Geschichte durch den Kopf und ich beschließe sie abends aufzuschreiben. Doch bei dieser TIMEX bewegt sich der Sekundenzeiger gar nicht, sollte sie einen Defekt haben? Ein überaus freundliche attraktive junge Dame weiß Rat! Mit einer kleinen Zange entfernt sie ein Stück Kunststoff und schon tickt das gute Stück als hätte es jahrelang im ARSCH eine Soldaten in einem Schlammloch in Vietnam gesteckt – genial! Inkl. Steuern kostet das gute Stück dann 50,84$ – etwas weniger als 40 Euro – preiswerter als eine Swatch – und über eine Swatch erzählt selbst Quentin Tarrantino keine Geschichten!

Mit der neuen Swatcht, 12 Flaschen Corona, Dr. Pepper, Obst und Keksen geht es zurück zum Auto. Als alles eingepackt ist meldet sich das Frühstück. Ich suche die Restrooms auf. Dort gibt es zwei Toiletten, eine ist riesig und für Rollstuhlfahrer geeignet. Die andere ist im wahrsten Sinne des Wortes ziemlich beschissen. An der großen Toilette ist der Riegel derartig ausgeleiert, dass es an eine Wunder grenzt wenn er diese Türe dauerhaft verriegeln kann. Aber ist ja auch egal, der Spalt ist 5mm breit, die Türe ist knapp 180cm hoch und hat unten locker 50cm Luft. Während ich auf dem Klo hocke geht die Türe auf. „Hoffentlich hält der Riegel was er nicht verspricht!!!!“ Die blauen Turnschuhe mit den weißen Streifen bewegen sich in das „Nachbarbüro“. Ein angewiderter Laut ist zu vernehmen, dann wird gespült, dann sehe ich die Turnschuhe direkt neben mir, sie stehen auf Zehenspitzen und stöhnen. Was für ein Land! Irgendwie freue ich mich auf „normale“ Toiletten…

Als ich den Waltmart verlasse ist mein Auto weg. Was für ein Schock! Habe ich vergessen ihn zu verriegeln? Ist er wirklich geklaut, was mache ich nun! Der Kreislauf beschleunigt das Adrenalin, der Puls pocht in den Schläfen. Doch dann sehe ich ihn! Alles ist gut, als ich aufs Klo musste habe ich den linken Eingang genommen, vorher den rechten. Uff, noch einmal gut gegangen!

Es geht zur Zions-Bank gegen über vom Rodeway Inn. Als ich parke und die Straße überquere bekomme ich von zwei Passanten gesagt, dass ich ein tolles Auto fahre. Ich glaube die wissen nicht was die Kiste an Sprit verbraucht! Am Geldautomaten werde ich dann gefragt was ich will. Da steht was von „Fast Cash“ – das klingt gut! Ich wähle es aus und bekomme 100 Dollar. Hä? 100 Dollar? Damit kann ich gerade mal ein Steak essen, Frühstücken und den Eintritt für den Antelope Canyon bezahlen? 100$?

Ich gehe mal hinein. Dort bekomme ich erklärt, dass das bei „Fast Cash“ immer so ist – 100$ ist die Obergrenze bei „Fast Cash“. Ist aber alles kein Problem, ich bekomme noch einmal 300$ von der Kreditkarte ausgezahlt. Die nette Dame am Schalter kennt mich ja nun schon. Sie kennt meine Kreditkarte, die Nummer meines Personalausweises, ich habe ihr meine Adresse und meine Telefonnummer aufgeschrieben. Das ist doch eine Basis für einen ausgedehnte Schnack – oder? Andere Kunden sind eh gerade keine da! Also schnacken wir und ich bin froh, dass ich mal mit einem Amerikaner sprechen kann.

Als ich die Bank verlassen will ist das eine Dame mit einer Gehhilfe, sie hat Mühe die Türe aufzuhalten. Als ich ihr helfe ist sie begeistert. „Are you from germany?“ Ich überlege kurz ob es an meinen guten Manieren liegt, nein, es liegt eher am gruselig harten Akzent ;-)

Im Auto stelle ich die kleine Nikon auf das kleine Stativ und filme den Weg zum Antelope Canyon. Meine kleine „Stereoanlage“ spielt dazu die Live-Version von Peter Gabriels „Steam“. Das passt ganz gut, denn neben dem Canyon dampfen die Kamine des Braunkohle Kraftwerks der Navajo Indianer fröhlich vor sich hin. Das Lied reicht fast bis zum Canyon, es ist nicht wirklich weit!

Am Lower Antelope Canyon ist wieder dieser nette junge Typ der mich damals 2009 schon zum Canyon begleitet hat und mit dem ich soviel geschwätzt habe. Ich erkenne ihn wieder. Ob er noch Gitarre spiel frage ich. Aber sicher, er holt die Gitarre hervor! Ich bekomme für 26$ einen Fotografen-Permitt. Da ich ja schon weiß wo alles ist kann ich auch ganz allein losgehen. Die anderen Gäste müssen warten bis sich eine etwas größere Gruppe gebildet hat. Danach gehen sie mit einem Führer in den Canyon. Ich darf das ganz allein, ich bin ja auch schon groß :-)

Im Canyon ist es wie gewohnt ziemlich frisch und ich bin froh, dass ich Unterhemd, Oberhemd und zwei Fleece-Pullis angezogen habe! Das ist gerade richtig! Im Canyon ist es relativ leer. Ich knipse vor mich hin, mache eine Belichtungsreihe nach der Anderen. Plötzlich steht ein kleiner Junge neben mir. Er sieht auf dem Display der D2x wie nacheinander 9 gleiche unterschiedlich helle Bilder angezeigt werden. Das scheint Magie zu sein. Dann kommt sein Vater dazu. Ich muss erklären was ich da mache und warum ich das mache. Dann kommt die Mama dazu. Es sind wohl Franzosen, doch sie sprechen ganz gut Englisch. Wir müssen es ihr auch erklären. Als sie es verstanden hat sagt sie nur etwas wie „Aha, jetzt weiß ich endlich wie alle diese coolen Fotos aus diesem Canyon gemacht wurden. Das sind also alles Fälschungen!!!“

Ok, ein HDR ist keine Fälschung, es ist ein besondere Methodik im Einsatz einer Digitalkamera – mehr nicht. Früher in der Dunkelkammer hat man Masken gebastelt und Teile der Bilder abgewedelt. Heute macht man HDRs – wo ist der Unterschied? Früher konnte man schlechte Fotos machen, heute geht das auch noch!

Mit meinem 26$ Permit kann ich vier Stunden lang fotografieren soviel ich will – super! Die letzte kleine Gruppe kommt so gegen 16h durch den Canyon gewandert. Sie nehmen mich mit. Und ich lerne Justin und seine Freundin kennen. Sie kommen auch aus Deutschland. Ist schon witzig wen man hier alles kennen lernen kann :-)

Am Auto bin ich dann ziemlich erledigt und will eigentlich gleich unter die Dusche. Aber dann ist das eine kleiner Chipmunk direkt neben meinem Auto. Jemand hat ein paar Erdnüsse verloren. Er schnappt sich eine nach der anderen. Alle paar Minuten kommt er wieder angeflitzt und holt sich die nächste Erdnuss. Witziges kleines Kerlchen. Also schnell das Tele an die D2x montiert und auf die Lauer legen! Als der kleine Kerl – oder ist es ein Mädchen – satt ist, fahre ich los zurück nach Kanab. Die Sonne steht jetzt schon tief, der Himmel ist wolkenlos!

Oben an der Straße fahre ich dann mal links runter zum Lake Powell. Dort gibt es noch ein paar Fotos am Strand und dann geht es endgültig in Richtung Kanab. Kurze Zeit später rausche ich am Aussichtspunkt an der Wahweap Marina vorbei, eigentlich keine schlechte Idee. Ich wende und bin sehr erstaunt, dass der Weg hinauf zum Aussichtspunkt jetzt perfekt geteert ist!

Nach ein paar Knipsbildern geht es zurück nach Kanab. Als ich ankomme ist es schon dunkel. Aber ich habe BIER und CHIPS :-)

Schnell die Akkus laden, die Bilder sichten, bloggen, duschen und dann ab ins Bett. Morgen geht es wieder früh los…

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